|
_______________________________________________________________________________
Die Bilder des
Künstlers Theo Noll, die so wesentlich von der lebendigen Kombination
von Form und Farbe bestimmt werden, erinnern in ihrer formalen Reduktion
an die Hologramme des Bauhaus-Künstlers László
Moholy-Nagy (1895-1946). Die Leuchtkraft der Farben, die Noll oft
aus dem Dunkel entwickelt, ergibt sich wiederholt aus der Verwendung
von Komplementärfarben. In anderen Arbeiten erreicht er die
Bildwirkung über starke Hell-Dunkel-Kontraste, einem in der
Kunstgeschichte vor allem in der Barockkunst als Chiaroscuro bekannten
Gestaltungsmittel, das den Arbeiten Nolls eine hohe Plastizität
verleiht. Doch auch wenn der Betrachter die Werke automatisch in
die Nähe ihm bekannter Objekte einordnet, so sind die Arbeiten
Theo Nolls weder einem künstlerischen Manifest verpflichtet
noch folgt er den Vorgaben oder Idealen einer an bestimmte Persönlichkeiten
gebundenen Kunstschule.
Die einzigartige Bildästhetik geht bei Nolls Arbeiten in entscheidender
Weise aus einer von ihm entwickelten Technik hervor, die Elemente
der klassischen Ölmalerei mit Arbeitsschritten aus der Druckgraphik
kombiniert. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet Noll mit dieser
Malweise, die er mit Blick auf die innere Stimmigkeit seiner Werke
optimiert hat. Zu beobachten ist, dass Noll sich von der frühen
Verwendung erdiger und warmer Farben entfernt hat und in jüngst
entstandenen Gemälden bevorzugt leuchtende, helle Töne
verwendet. Der Künstler nutzt als Bildträger ausnahmslos
versiegelte Pappen, auf die verschiedene Farbschichten aufgebracht
werden. Mit zum Teil selbst entwickelten Werkzeugen aus Metall oder
Plastik trägt er in einem weiteren Arbeitsschritt Muster und
Formen von der obersten Farbschicht ab, so dass weiter unten liegende
Ölfarben flächig oder auch nur konturenhaft sichtbar werden
und durchscheinen. Letztlich bestimmt die angewendete Technik auch
die Formate: Noll bringt die Formen zumeist in einem Arbeitsschritt
auf den Bildträger, ohne dabei das eingesetzte Werkzeug abzusetzen.
Die Größe wird dementsprechend wesentlich durch den von
der eigenen Armlänge definierten Arbeitsbereich bestimmt. Auf
vielen Arbeiten verbinden vertikale, horizontale, insbesondere aber
frei verlaufende Strukturen die Bildränder miteinander.
Die Formen assoziiert der Betrachter vielfach mit floralen Motiven,
es bleibt aber offen, ob Noll die Fährten bewusst gelegt hat
oder ob sich die Verknüpfungen ganz subjektiv bei der Betrachtung
der Werke ergeben. Vergleichbar etwa mit den wandelbaren Bildern,
die vorbeiziehende Wolken in jedem einzelnen von uns auslösen,
aber vielfach unterschiedlich interpretiert werden.
Noll fertigt Serien, die farblich und formal aneinander anknüpfen
und wechselseitig auf sich verweisen. Der Begriff der Serie ist
allerdings nicht klassisch kunstgeschichtlich zu verstehen. Die
Arbeiten zeigen keinen szenischen oder narrativen Ablauf. Anders
als Bilder in Zyklen, Folgen oder Serien, in denen jede dargestellte
Szene einen festgelegten Platz im Erzählstrang einnimmt, können
Nolls Werke für sich allein oder im freien Zusammenspiel wirken.
Bemerkenswert ist die enge Verbindung der Kunstwerke mit musikalischen
Impressionen. Nicht im Sinne von Modest Petrowitsch Mussorgskis
bekanntem Klavierzyklus "Bilder einer Ausstellung" (1874),
in der die einzelnen Sätze musikalisch Objekte wie Gemälde
und Zeichnungen beschreiben. Auch lassen sich keine neu entwickelten
Notationen aus den Arbeiten Nolls herauslesen oder die Abbildung
von Schwingungen oder Schallwellen beobachten. Vielmehr bildet Noll
in seinen Arbeiten Klangfarben wie Rhythmisierungen ab, die ihm
möglicherweise Inspiration oder Anstoß zur Anlage seiner
Bilder waren.
Es wäre
freilich falsch zu behaupten, dass die Werke aus sich heraus klingen
würden, dennoch verweisen die linienbasierten Strukturen unüberhörbar
visuell auf akustische Vorlagen.
Das Zusammenspiel von Form und Farbe bestimmt die Einzigartigkeit
der Werke Nolls.
Damit steht er für eine bemerkenswerte künstlerische Position,
die in verschiedene Richtungen weist, letztlich aber für sich
allein steht.
Ulf Sölter
|
|